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Mittwoch, 18 Juli 2018

Kolumne: Wie man Kindern den Schnuller abgewöhnt

Viele Eltern fragen sich: Zahnschäden riskieren oder kurzen Prozess bei der Entwöhnung? Weder noch, sagt Jesper Juul

Frage:

Meine Tochter, gerade vier Jahre alt, liebt ihren Schnuller über alles. Mehrfach wurden wir schon vom Zahnarzt darauf angesprochen, dass wir ihn ihr unbedingt abgewöhnen müssen, da sie ein "Schnullergebiss" hat. Wir haben schon mehrfach versucht, ihr den Schnuller durch gutes Zureden und Versprechungen abzunehmen, aber nichts half.

Freunde empfahlen mir, den Schnuller wegzuwerfen und ihr keinen neuen zu geben. Andere sprachen von der Schnullerfee oder dem Schnullerbaum. Aber der Zug ist abgefahren. Ich kenne meine Tochter. Sie ist sehr klug, und das alles beeindruckt sie nicht im Geringsten. Es ist ihr alles egal, ihr Schnuller ist ihr sehr wichtig.

Ganz nach ihren üblichen Empfehlungen fragte ich sie vor kurzem, ob sie mir sagen kann, warum ihr der Schnuller so wichtig sei. Ihre Antwort war einfach: "Weil er so gut schmeckt und so gut schnullert." Meine Tochter ist generell sehr oral, steckt vieles in den Mund und leckt an vielen Sachen herum. Obwohl sie es kann, isst sie ungern mit Löffel oder Gabel. Sie isst lieber mit den Fingern. Selbst Suppe isst sie mit den Fingern.

Hat sie den Schnuller im Mund (sie bekommt ihn nur in der Nacht), kann man richtig hören und sehen, wie sehr sie ihn bearbeitet. Einerseits denke ich, ich sollte sie lassen, irgendwann wird sie ihn selber hergeben, und dann bekommt sie halt eine Zahnspange. Andererseits weiß ich auch, dass sie ohne ihren Schnuller einschlafen und weiterschlafen kann. Denn das passiert, wenn sie "aus Versehen" einschläft. Versuchen wir ihr allerdings nachts den Schnuller aus dem Mund zu ziehen, holt sie ihn sich im Schlaf wieder. Ich hoffe sehr, dass ihr Gebiss sich durch die Beendigung der Schnullerbeziehung "zurückentwickelt" und ihr eine Zahnspange erspart bleibt. Vielleicht haben Sie ja einen Tipp für mich.

Antwort:

Aus Ihrer Beschreibung ist für mich offensichtlich, dass Sie nicht davon überzeugt sind, dass es in der Nacht für Ihre Tochter ohne einen Schnuller besser wäre. Für mich ist das nicht sehr wichtig, und so, wie Sie die Persönlichkeit Ihrer Tochter beschreiben, hat es auch keinen negativen Einfluss auf Ihre Entwicklung.

So bleiben Ihnen zwei Optionen: Die eine ist Ihr eigener Vorschlag, es also bei der derzeitigen Situation zu belassen. Dass Ihre Tochter den Schnuller so lange behaltet, wie sie möchte, und dass später repariert wird, was möglicherweise an ihrem Gebiss zu reparieren ist, sobald sie sich vom Schnuller verabschiedet. Das mag vielleicht Ihr Image als verantwortungsvolle Mutter beeinflussen. Wobei das nur unter tratschenden Müttern der Fall sein wird, und das können Sie leicht ignorieren.

Die andere Möglichkeit ist, Ihrer Tochter Folgendes zu sagen: "Ich weiß, dass du deinen Schnuller nicht hergeben willst. Das ist es, was ich will: Ich gebe dir eine Woche, um darüber nachzudenken, und du gibst mir dann deinen Schnuller freiwillig. Wenn du ihn mir nicht gibst, werde ich ihn einfach nehmen, und du kannst protestieren, so lange du die Energie dafür aufbringst."

Es gibt einen einzigen Weg für Sie, um ein endlos langes Drama zu vermeiden: Überzeugen Sie sich selbst davon, dass die zweite Option die einzige verantwortungsvolle und gesunde Entscheidung ist, die eine Mutter oder ein Vater machen muss. Viel Glück für Sie beide! (Jesper Juul, 12.2.2017)

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