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Freitag, 27 Juli 2018

Kolumne: Das Dilemma unterschiedlicher Interessen

Warum die Abenteuer der Väter nicht die Träume ihrer Söhne sein müssen

Frage:

Ich lese Ihre Kolumne gerne und schätze Ihre offene und warmherzige Haltung. 
Als Vater zweier Söhne, zwei und fünf Jahre alt, ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich meine Kinder dazu drängen möchte, Dinge zu tun, die mir als Kind Spaß gemacht haben beziehungsweise die ich positiv in Erinnerung habe. Ein Beispiel: Wir wohnen im ländlichen Vorarlberg nahe einem Wald, und ich würde es sehr gerne sehen, wenn meine Buben selbstständig das Abenteuer im Wald suchen, wie es in meinen Kindheitserinnerungen so schön abgespeichert ist.
 Ich frage mich aber dann, ob es eigentlich meine Aufgabe ist, den Kindern solche Dinge nahezubringen, oder ob es viel produktiver wäre, sie selbst ihre eigenen Abenteuer finden zu lassen.

Antwort: 

Vielen Dank für Ihre freundliche Rückmeldung und Ihre wichtige Frage. Sie handelt von den wohl ältesten Träumen eines Vaters, zumindest seitdem wir die Kindheit als eine eigenständige Zeit im Leben eines Menschen definiert haben. Viele Väter konzentrieren sich heute wie damals sehr auf ihr erwachsenes Leben, ihre Arbeit und ihre Interessen. Ihr großer Wunsch ist es, für ihre Söhne ähnliche Ziele zu entwerfen. Der Gedanke dabei, den Kindern eine lebenslange Erfahrung aus der eigenen Lebensgeschichte zu schenken, ist völlig in Ordnung.

Mütter haben übrigens ähnliche Ideen. Diese tendieren allerdings mehr dazu, schlechte Erfahrungen zu vermeiden.

Einladung zu "Männer-Ausflug"

Aus meiner Sicht gibt es für Sie zwei Möglichkeiten, Ihr Dilemma anzugehen. Die erste wäre, Aufmerksamkeit für die bereits bestehenden Interessen Ihrer Söhne zu zeigen und diese auch zu verstehen und wertzuschätzen. Ein zweiter möglicher Schritt ist eine Einladung an Ihre Söhne zu einem "Männer-Ausflug" in die Natur. Sprechen Sie diese Einladung um Ihrer selbst willen aus. Sagen Sie Ihren Söhnen, dass es etwas Wichtiges gibt, über das Sie mit Ihnen sprechen möchten.

Nach einer Weile in der Natur machen Sie eine gemeinsame Pause, packen die Jause aus und beginnen ein Gespräch, in etwa so: "Ich weiß, dass ihr euch besonders für XY interessiert. Heute möchte ich euch von dem erzählen, was mir in eurem Alter besonders Spaß gemacht hat. Das war ..."

Auf diese Weise geben Sie Ihren Söhnen ein sehr wertvolles Geschenk. Der angenehme Nebeneffekt dabei ist, dass Sie sich selbst von den Gedanken, was Ihren Söhnen beim Heranwachsen vielleicht fehlen könnte, befreien.

Ein paar Wochen später können Sie folgendes Experiment ausprobieren: Nachdem Ihre Familie gemeinsam gefrühstückt oder zu Mittag gegessen hat, sagen Sie einfach: "Ich möchte jetzt raus an die frische Luft und in die Natur. Ich geh' in den Wald. Mag jemand mitkommen?"

Träume ernst nehmen

Sollte Sie nun niemand begleiten wollen, dann gehen Sie alleine und genießen sich selbst. Es ist wunderbar, Träume, Visionen und auch Pläne für seine Kinder und deren Zukunft zu haben. Die Gefahr für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern verbirgt sich vielmehr darin, wenn die kindlichen Wünsche, Leidenschaften, Träume und Ziele nicht ernst genommen werden.

Sie können ruhig etwas Druck auf Ihre Kinder ausüben, das hilft ihnen, sich zu definieren und sich für ihr Leben einzusetzen. Aber geben Sie ihnen nicht das Gefühl, dass sie nur geliebt werden, wenn sie Ihre Wünsche erfüllen. (Jesper Juul, derStandard.at, 15.6.2014)

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