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Mittwoch, 25 Juli 2018

Kolumne: Wie Eltern ihre Kinder mit kindischem Verhalten verletzen

Jedes sechsjährige Kind sollte das Recht haben, über seinen Haarschnitt zu entscheiden

Frage:


Darf ein Sechsjähriger selbst entscheiden, welche Frisur ihm die Friseurin schneidet, oder muss das der Vater entscheiden, damit er "ordentlich" aussieht? Diese Frage hat zu einem großen Konflikt zwischen meinem Ex-Mann und mir geführt, da ich kein Problem damit habe, wenn mein Sohn seine Haare etwas länger tragen will, was ihm auch sehr wichtig ist. Wohlgemerkt: nicht selbst herumgefitzelt, sondern ein Haarschnitt einer Friseurin, nicht einmal schulterlang.

Sein Vater ist der Meinung, dass er zu "ökomäßig" wirkt mit längeren Haaren (er selbst trug vor seiner Glatze selbst lange Haare), und außerdem passt es angeblich nicht zu seiner Kopfform. Der Vater ließ sie schon einmal gegen den Willen unseres Sohnes abrasieren, was diesen sehr verletzte, wobei er Sie zitierte: "Kinder können nicht immer verstehen, warum Eltern dieses oder jenes für sie entscheiden, und das ist auch nicht notwendig." Man muss als Elternteil natürlich Verantwortung übernehmen, worüber Kinder öfter nicht so erfreut sind, das ist auch ihr Recht; doch wie sieht es beim Friseur aus?

Muss ein Sechsjähriger Fremden die Hand geben und auf Fragen antworten? Mein Sohn ist recht schüchtern, was sich mit der Zeit auch schon mehr legt, sodass er immer häufiger grüßt. Die Hand zu geben ist allerdings noch ein weiterer Schritt – oder auch, sich zu unterhalten. Bei ihm dauert es einige Zeit, dann kommt er von selbst und redet. Sicherlich möchte ich, dass er eine gewisse Höflichkeit an den Tag legt, jedoch möchte ich es nicht erzwingen. Sein Vater fordert es jedoch streng ein. Muss man das in seinem Alter schon von ihm verlangen?

Es würde mir sehr weiterhelfen, wenn Sie meine Fragen beantworten, da der Vater meines Sohnes Sie ständig zitiert, jedoch eher, wie ich glaube, fehlinterpretiert, und mich dann auch noch belehrt und verunsichert.

Antwort:
Ich fühle mich fast danach, Ihrem Ex-Mann zu antworten, den weiteren Missbrauch meiner Arbeit einzustellen. Dennoch gewähre ich Ihnen den Vorteil aufgrund des Zweifels und beantworte Ihre Fragen über Haarschnitt und Händeschütteln.

Natürlich sollte jedes sechsjährige Kind das Recht haben, über seinen Haarschnitt zu entscheiden, solange es sich im finanziellen Rahmen der Familie bewegt. Ich denke, es sollte als grundlegendes Menschenrecht angesehen werden. Sollten Sie als Eltern dazu tendieren, dass der Stil Ihres Kindes Ihren Stil/Ihre Philosophie oder Ideologie widerspiegeln sollte, dann fordern Sie bereits jetzt große Probleme in zehn Jahren heraus.

Als Eltern sind Sie natürlich berechtigt, Ihre Meinung auszudrücken, und sollten Sie sich dafür entscheiden, so weit zu gehen wie der Vater Ihres Sohnes, so sollten Sie von der Reaktion Ihres Kindes lernen. In diesem Falle: nie wieder!

Eltern glauben, dass Händeschütteln als Zeichen sozialer Höflichkeit eine Sache ist, die sich ein Kind aneignen muss. Um das zu erreichen, müssen Sie sehr früh beginnen und Ihrem Kind verständlich machen, dass es ein Muss in Ihrer Familie ist. Kinder werden dem Wunsch entsprechen. Damit bei einem Sechsjährigen als Forderung zu beginnen ist kein weiser Schritt.

Es wird der Beziehung zwischen Eltern und Kind eine Narbe zufügen und auch dem Vertrauen des Kindes in seine Eltern.

Sollte es hingegen beiden Eltern wichtig sein, so bitten Sie das Kind einfach, es für Ihren Seelenfrieden zu tun, und machen Sie kein Drama daraus.

Ihnen und Ihrem Ex-Mann ist es nicht gelungen, mit Ihren Unterschiedlichkeiten unter einem Dach zu leben. Ich bitte Sie deshalb eindringlich, mit diesem kindischen Benehmen in Bezug auf das Verhalten Ihres Sohnes oder seinen Haarschnitt aufzuhören.

Wie kann er zu einem sensiblen und sozialen jungen Erwachsenen heranwachsen, solange sich seine Eltern so unreif verhalten?

Auf diese Weise verletzen Sie ihn beide.

Ihr Sohn hat eine sehr schwierige und große Aufgabe, Ihre Verschiedenheiten in seinem eigenen Selbst zu verknüpfen. Also braucht er Ihre Unterstützung und Anerkennung, um das zu tun, woran seine Eltern scheiterten. (Jesper Juul, derStandard.at, 8.3.2015)

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