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Montag, 23 Juli 2018

Kolumne: Wenn Väter anders sind, als sie sein wollen

Söhne bieten Männern die Chance, ihnen ein neues "Vatermodell" mitzugeben – Voraussetzung ist das genaue Betrachten der eigenen Vater-Beziehung

Frage

Ich bin ein Vater, 35 Jahre, mit einer wunderbaren Frau und drei Söhnen im Alter von zwölf, neun und drei Jahren. Meist ist es unser "Mittlerer", der meine schlechte Laune zu spüren bekommt. Ich weiß wirklich nicht, warum es immer ihn trifft, oder warum er derjenige ist, den es besonders berührt. Alle drei sind wunderbare Burschen. Ich weiß nicht, was ich ohne sie tun würde. Das Gleiche gilt für meine Frau.

Trotzdem gibt es täglich Gezanke und schlechte Stimmung zu Hause. Vor allem dann, wenn es Zeit ist, die Hausaufgaben zu machen. Mein Neunjähriger kämpft damit, es fällt ihm schwer, sich nach einem langen Schultag zu konzentrieren. Ich weiß genau, wie er sich fühlt, ich kann mich noch sehr gut an meine Schulzeit erinnern. Mein Vater hatte damals überhaupt keine Geduld. Und ich wäre auch lieber mit meinen Freunden zusammen gewesen, als mich mit Hausaufgaben zu beschäftigen.

Ich erinnere mich, dass ich damals viel geweint habe. Heute ist für mich das Schlimmste, wenn mein Sohn weint, wenn ich versuche, ihm zu helfen. Ich bin vielleicht zu streng und ich weiß, dass meine Erwartungen hoch sind, aber ich will ihm helfen. Also bin ich genau so wütend und streng wie mein Vater.

An den Tagen mit schlechter Laune frage ich mich, ob ich einfach nicht dazu gemacht bin, Vater zu sein. Während ich das schreibe, spüre ich, wie sehr mich das beschäftigt. Bin ich ein Egoist? Ich sehe meine Schwächen als Familienvater aus dem Text vor mir heraus springen und ich merke, in welche "Falle" ich getappt bin.

Auch, dass ich mit Kritik schwer umgehen kann. Wenn meine Frau mit etwas kommt, das einer Kritik ähnelt, bin ich sofort in der Verteidigung und oft schieße ich auf Spatzen mit Kanonen. Ich wünsche mir nur, mit meiner Frau gemeinsam die Zeit mit unseren Kindern zu genießen, und zwar so, dass sich jeder wertgeschätzt fühlt. Es kommt mir aber so vor, als würde ich all das ins Wanken bringen.

Ich möchte wirklich nur das Beste für meine Familie. Ich wünsche mir, dass meine Kinder anders aufwachsen und nicht mein Bild von mir und meine Erinnerung als schlechter Schüler mit schwachem Selbstwert übernehmen. Vielleicht ist auch das der Grund, warum ich bei den Hausaufgaben so streng bin. Was soll ich tun?

Antwort:

Vielen Dank für Ihre feine und so offene Beschreibung. Sie schildern einige Mechanismen und Stimmungen, die in Familien nicht ungewöhnlich sind. Ihre genaue Betrachtung der Beziehung zu Ihrem Vater ist der beste Weg, um selbst als Vater zu wachsen. Als Erwachsene verfügen wir über zwei Speicher, einen emotionalen und einen existentiellen. Der erste speichert viele gute Erinnerungen, im anderen ist viel Schmerz gesammelt. All das sprudelt bei Ihnen nun an die Oberfläche. Der Auslöser ist Ihr mittlerer Sohn: Er zeigt ihnen auf, wie es endet, wenn sie der Vater sind, der sie nicht sein wollen.

Wertvoll sein wollen

Wir alle haben das grundlegende Bedürfnis, für die Menschen, die uns wichtig sind, wertvoll zu sein. Wenn sie uns die Rückmeldung geben, dass uns das nicht gelingt, werden wir wütend und geben ihnen die Schuld.

Es gibt dabei aber einen wesentlichen Unterschied zwischen Kindern und Eltern: Die Kinder können nichts dafür, wenn wir uns als Eltern nicht so wertvoll fühlen, wie wir gerne sein möchten. Denn sie können innerhalb der Familie nicht bestimmen, wie die Interaktion miteinander gestaltet sein soll. Diese Verantwortung liegt alleine bei den Eltern.

In Ihrer Familie herrscht Frustration darüber, dass jeder zwar sein Bestes tut, dass das aber nicht reicht. Ihr Sohn wendet diese Frustration gegen andere, sie haben sie früher nach innen gerichtet.

Aufrichtig bleiben

Durch Ihre eigene Erziehung haben Sie ein bestimmtes Verhalten entwickelt und sind jetzt in der Situation, dass Sie in einer eigenen Familie leben, in der Sie als Mensch wachsen können. Das bedeutet aber auch, dass Sie sich von der Überlebensstrategie, die Sie als Kind entwickelt haben, und von den selbstzerstörerischen Aspekten Ihres Verhaltens als Vater und Partner verabschieden sollten. Wenn Sie das tun, werden Sie sich den hohen Zielen nähern, die Sie für sich und Ihre Lieben definiert haben, und erleben, wie sehr diese Ihr Leben bereichern. Die Bedingung dabei ist, dass Sie all das aufrichtig tun. Und dass Sie es mit allen teilen.

Sie und Ihr Sohn sind beide ein wenig schüchtern und dennoch sind Sie ein dynamischer Mann, es wird also nicht einfach werden. Sie müssen sich dem Risiko Ihrer Inkompetenz stellen und Ihrem mittleren Sohn für seine Hilfe danken. Ich bin mir sicher, dass Sie das können. Beginnen Sie mit Ihrer Frau zu üben, indem Sie mit ihr Ihre Verwundbarkeit und momentane Hilflosigkeit teilen.

Die Tatsache, dass Sie drei Söhne haben, eröffnet Ihnen die außergewöhnliche Chance, ein "Vatermodell" zu gestalten, das weit bis in die nächste Generation übertragen wird. Sie sind ein großartiger Vater, allein schon deshalb, weil Sie Ihre eigenen Grenzen wahrnehmen und den Drang verspüren, etwas zu ändern.

Direkt auf die Kinder zugehen

Ihre Frau kann für Ihre Söhne nicht dieses Vorbild sein, aber ihre Liebe und Fürsorge kann Sie sicher in den nächsten Jahren unterstützen. Sie können Ihre Frau um Rat und Hilfe bitten – aber jedes Mal, wenn Sie sich als Vater in Ihrer Rolle unsicher fühlen, ist es besser, direkt auf die Kinder zuzugehen und sie zu fragen.

Die wohl schwierigste Aufgabe ist jetzt, Ihr Selbstbild zu überprüfen. Verabschieden Sie sich von dem Mann, der Sie waren und akzeptieren Sie die Trauer und die Angst und stellen Sie sich auf eine dynamische Entwicklung ein, die nun beginnen wird. Ihr aktuelles Selbstbild, Ihr konstruktives und destruktives Verhalten kommen miteinander in Kontakt, was sich nur in Richtung liebevolle Beziehungen entwickeln kann. Nicht von einen Tag auf den anderen, aber bestimmt über die nächsten Jahre. (Jesper Juul, 28.2.2016)

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