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Donnerstag, 26 Juli 2018

Kolumne: Wenn Kinder keine Medikamente nehmen wollen

Warum es sinnvoller ist, mit kleinen Kindern zu sprechen als sie auszutricksen oder zu einem Verhalten zu zwingen

Frage:
Unsere vierjährige Tochter ist zum Glück nur sehr selten krank. Und dann erholt sie sich meist schnell wieder. Bis jetzt hat ihr der Kinderarzt zweimal empfohlen, Medikamente einzunehmen. Zuletzt bei einem viralen Infekt mit heftigen Hustenanfällen, bei denen sie besonders arm ist: einen Hustensaft, damit sie zumindest besser schlafen kann.

Unsere Tochter lehnt Medikamente jedoch kategorisch ab. Auch wenn wir versuchen, ihr den Nutzen der Medikamente zu erklären, bleibt sie hart und ist nicht bereit, sie zu probieren. Wir versuchen, sie nicht unter Druck zu setzen – was uns aus Sorge und dem Wunsch, dass es ihr besser geht, nicht immer gelingt.

Es bleibt bei uns ein Gefühl völliger Ohnmacht. Damit kommt die Idee, so vorzugehen, wie es unsere Eltern gemacht haben: ihr den Saft unterzujubeln, zu lügen und zu sagen, dass da ja gar nichts drin sei. (Was bei ihr ohnehin nicht funktioniert, weil sie uns spätestens beim zweiten Versuch durchschaut). Oder wir halten sie fest und versuchen, ihr den Hustensaft aufzuzwingen, was natürlich völlig daneben ist.

Wir kommen im Alltag ansonsten gut zurecht und können vieles mit unserer Tochter gut besprechen. Deshalb ist die Situation mit den Medikamenten für uns völlig ungewohnt. Dazu kommt natürlich noch die Sorge um das kranke Kind. Zu welcher Vorgehensweise raten Sie uns?

Antwort:
Ich bin mir sicher, dass Ihre Tochter ohne Hustensaft überleben wird. So wie ich die Sorgen des Mädchens verstehe, haben sie mit Angst vor jeglicher Art von Medizin und, was noch wichtiger ist, mit einem Gefühl der Machtlosigkeit zu tun.

Meine Anregung für Sie ist, dass entweder Sie oder Ihr Mann Ihrer Tochter ein Stück Kuchen anbieten, diesen gemeinsam essen und dabei sagen: "Ich hab Dich eingeladen, weil wir ein Problem haben, das wir ohne Deine Hilfe nicht lösen können. Ich weiß, dass Du schon den Gedanken an Medizin nicht ausstehen kannst. Aber: Früher oder später wirst Du einmal Medikamente nehmen müssen. Ich kann mir nur zwei Möglichkeiten vorstellen, wie das machbar ist: Die eine ist, die Medizin heimlich unter Dein Essen zu mischen. Die andere ist, Dich festzuhalten und Dich dazu zu zwingen. Ich mag keine der beiden Lösungen und würde das auch niemals tun. Deshalb frage ich Dich, auf welche Weise Du Dir vorstellen kannst, die Medikamente zu nehmen. Wirst Du das für mich tun?"

Erwarten Sie nicht sofort eine Antwort. Aber erinnern Sie Ihre Tochter hin und wieder. So bleibt es in ihren Gedanken und sie wird besser darauf vorbereitet sein mitzuhelfen, sobald es dringend wird. Verhandeln Sie nicht mit ihr und überreden Sie Ihre Tochter zu keinen Versprechungen. Vertrauen Sie ihr!

Wie Sie diesen Konflikt lösen und welche Lösung Sie sich entscheiden, wird ausschlaggebend sein für viele andere Konflikte, die in den nächsten 14 Jahren auftreten werden. Wenn Sie jetzt Strategien der Überlistung oder Machtkämpfe einführen, so wird Ihre Tochter Sie höchstwahrscheinlich selbst überlisten. (Jesper Juul, derStandard.at, 11.1.2015)

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