Sonntag, 22 Dezember 2013

Die Zukunft Ihres Kindes ist jetzt

Jesper Juul

Seit dem Mittelalter haben Eltern versucht die Zukunft ihrer Kinder zu planen. Es gab viel, worüber sie sich Sorgen machten und fürchteten, was passieren könnte. Bis zu einem gewissen Maß waren sie dabei  Geiselnehmer der kindlichen Individualität und Zukunft. In diesen Tagen war dies eine gesellschaftliche Notwendigkeit, nach dem zweiten Weltkrieg jedoch gewannen die soziale und wirtschaftliche Sicherheit die Oberhand.

Danach kam die Zeit des Wohlstandes und das elterliche Mantra war gewissermaßen „Alles, was wir wollen ist, dass Du glücklich bist!“. Seit der Jahrtausendwende gewinnen die sozialen Ambitionen der Eltern an beträchtlicher Bedeutung. Und zwar so viel, dass es weit an der Zeit ist, sich einige grundlegende und ethische Fragen zu stellen.

Welche Rolle spielen Kinder im Leben ihrer Eltern – und deren eigenen?  Die negativen Auswirkungen davon können bis zu einem gewissen Grad verhindert werden, so wir uns auf unsere Handlungen und auf das Leben unseres Kindes hier und jetzt konzentrieren.

 Was möchten Sie als Eltern?

Wollen Sie einfach, dass Ihr Kind glücklich ist? Denken Sie oft über die Ausbildung und die Karriere Ihres Kindes nach? Was sind Ihre größten Sorgen? Welche Träume gibt es für die Zukunft Ihres Kindes – und inwieweit beeinflussen Ihre Träume Ihr Kind? Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihr Kind zu einem gesunden und kompetenten Menschen heranwächst?

 Wir müssen uns darauf besinnen, dass Kinder zu bekommen ein sehr egoistisches Projekt ist. Wir bekommen Kinder nicht der Kinder wegen, sondern in der Hoffnung, dass sie unser Leben bereichern werden. Sobald ein Kind geboren ist, sinkt unsere Selbstsucht und es steigt das Interesse an der Sorge um das Kind. Als Eltern schwankt Die Einstellung der Eltern oft zwischen zwei Extremen: „ Du bist mein Kind und ich entscheide!“ und „Mein Kind ist mein Leben!“ Zwischen diesen beiden Polen gibt es Eltern mit einer ausgewogenen Einstellung.

 Unabhängig davon, wie ein Kind geboren wird und welche Träume und Ängste Eltern beschäftigen, es gibt unzählige Dinge, die Sie richtig machen können – und noch mehr die missverstanden werden könnten. Dennoch es gibt einen berechtigten Grund für unsere Handlungsweise mit Kindern, welche sowohl für zuhause als auch in Institutionen gilt. Die meisten Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder im Alter von 20 Jahren physisch gesund sind, über gute psycho-soziale Kompetenzen verfügen, damit sie so fähig sind, mit sich selbst und anderen zurecht zu kommen.

 Dieses Ziel ist gleichbedeutend für alle Kinder, egal unter welchen Umständen sie geboren werden, ob gesund, von Geburt an einer chronischen Krankheit leidend, behindert sind, reich oder arm.  Es ist eine wichtige Voraussetzung um zu lernen, sowohl in der Schule als auch vom Lebens selbst. Es ist der optimale Schutz gegen jegliche Art von Gefahren oder Risiken, welche die Zukunft bringen könnten. Es ist außerdem das Beste um Abhängigkeiten, Missbrauch, Gewalt, Essstörungen und vieles mehr zu verhindern. Es ist weitaus effektiver als Grenzen zu setzen, Regeln, Strafen, moralische Aufrüstung oder Beurteilungen sowie alles andere zu betreiben, das wir traditionellerweise als Präventionsmaßnahmen erachten.

Trotzdem sind wir noch weit von diesem Ziel entfernt. In vielerlei Hinsicht geht es Erwachsenen und Kindern heute besser als je zuvor. Wenn wir allerdings von unserer psychischen und sozialen Gesundheit als unsere allgemeine Lebenskompetenz sprechen, so waren die meisten unserer Bemühungen erfolglos. Die Statistiken sprechen klare Worte. Missbrauch und Abhängigkeit nehmen zu, auch die Zahl jener Kinder, Jugendlicher und Erwachsenen in psychologischer Behandlung steigt. Der Verbrauch an Anti-Depressiva, Schlaftabletten und anderen Medikamenten im Zusammenhang mit dem psycho-somatischen Wohlbefinden ist erschreckend hoch. Hinzu kommt, dass die Kosten im Sozial- wie auch Gesundheitsbereich stetig steigen, sich aber als weniger effektiv erweisen. Der Traum einer Wohlstandsgesellschaft, welche Sorge für unsere Gesundheit und Lebensqualität trägt, hat sich in einen Albtraum verwandelt. Die einzige brauchbare Lösung heißt: Persönliche Verantwortung.

 

Was können Sie tun?

Der bestmögliche Schutz, der bereits erwähnt wurde besteht aus den folgenden Teilen:

Ein gesundes Gefühl zu seinem Selbst und die Erfahrung, uns als wertvoll für die Menschen zu fühlen, die wir lieben. Das Gefühl, dass wir ok sind. Wir es wert sind geliebt zu werden genau so wie wir sind – hier und jetzt.

Die Möglichkeit zu haben unser Leben in vollem Umfang zu leben, unsere Potentialen bestmöglich zu entfalten, sowohl auf intellektueller, emotionaler und psychischer Ebene. All das unterstützt unseren Selbstwertl. 

Als erste Konsequenz entsteht ein hoher Stressfaktor. Kinder können im Grunde mehr Stress aushalten als Erwachsene, jedoch nur wenn sie gelernt haben, sich auch zu entspannen. Das bedeutet natürlich Erfahrung und die Fähigkeit dem, was im Inneren passiert Aufmerksamkeit zu schenken. Dies wird heutzutage als „Achtsamkeit“ bezeichnet.

 Diese Qualitäten entwickeln sich in erster Linie innerhalb der Familie. Bildungseinrichtungen tendieren dazu, sich auf die Zukunft zu konzentrieren, wobei es von Vorteil wäre, würden sie sich mehr auf das Hier und Jetzt besinnen, weil dies auch das Lernen der Kinder verbessert. Institutionen sind allerdings generell mehr damit beschäftigt neue Fähigkeiten zu entwickeln.

 

Es ist ein ernsthaftes Problem für die heutigen Kinder, dass ihre Eltern die Techniken der Lehrer versuchen zu übernehmen. Sogar während der Freizeit in der Kinder spielen und kreativ sein sollten, gebrauchen sie externe Anregungen. Eltern nutzen andauernde Unterhaltung durch Fernsehen, Filme oder andere erzieherische Aktivitäten. Die Folge davon sind Kinder, die offen gesagt von externen Unterhaltungsprogrammen überstimuliert sind. Sie haben weder gelernt, noch wissen sie, wie sie ihren Weg in ihr Innerstes finden können. Der Ort an dem die unverfälschte Kreativität verborgen ist. Dies gilt auch für viele Erwachsene. Eine Folge dessen ist, dass unnötiger Stress psychosomatische Probleme und sogenannte „Verhaltensauffälligkeiten“ auslöst.

Wenn nun Eltern zu all dem auch noch Ambitionen und Ziele für die Zukunft ihres Kindes hegen, so werden zwei Dinge passieren:

  • Das, was als nächstes passiert ist gleichermaßen für die Gesundheit und den psychosomatischen Schutz von Bedeutung. „Wenn meine Erwachsenen ständig mit den nächsten Schritten meiner Entwicklung beschäftigt sind, dann fühle ich mich nicht ok, so wie ich jetzt gerade bin!“ Genau das verhindert, ein Gefühl für sich selbst zu entwickeln.
  • Das Selbstgefühl ist ein weitaus wichtigerer Schutz als das Selbstverstrauen, das ich mir durch das Erlernen verschiedenster Fähigkeiten aneigne. Gerade für Kinder, die sich – aus welchem Grund auch immer anders fühlen ist dies von besonderer Bedeutung.

Paradoxerweise heißt das, dass die Ziele, die Eltern für Ihre Kinder mit viel Ambition verfolgen gerade aus diesem Grund nicht erreicht werden. Fragen sie irgendeinen Spitzensportler oder Firmenchef über 45, ob deren Selbstvertrauen und Statussymbole ihr Leben, ihre Beziehungen oder ihr Leben als Eltern bereichert haben. Die einstimmige Antwort wird ein „Nein“ sein.

Es überrascht nicht, dass unter Eltern Verwirrtheit herrscht, bei so vielen und oft auch gegensätzlichen Expertenratschlägen. An einem Tag ist die Schule und Ausbildung wichtig. Am nächsten ist es die Ernährung, die körperliche Ertüchtigung, Bestimmungen zum Alkoholgebrauch und so weiter. Natürlich ist es ein Problem, dass die Welt voll von sogenannter „Experten“ ist, die vorgeben sehr viel über sehr wenig zu wissen. Ein anderes genauso bedenkliches Problem ist, dass unsere Politiker, beziehungsweise die verschiedenen staatlichen Ressorts nicht miteinander kommunizieren

Stellen wir uns für einen Moment lang vor, dass  sich die verschiedenen Abteilungen (zuständig für Ernährung, Gesundheit, Kinder, Familien und andere) sich zusammensetzen würden, so würden sie bald feststellen dass ihre Ausgaben ohne einen qualitativen Kontrollmechanismus getätigt werden. Die Verbreitung ihrer Nachrichten zerstört die Kreativität, die Fröhlichkeit und die allgemeine Gesundheit vieler Kinder. Und als ob das nicht schon genug wäre, verursachen sie auch noch eine gewisse Nervosität und Stress in vielen Familien mit schweren Folgen für alle Beteiligten. Keine unserer familylab Niederlassung - egal in welchem Land - hat jemals die Erfahrung einer Regierung gemacht in der diese Art der Kommunikation vorhanden wäre. Die monetäre Belastung dessen ist einfach zu hoch.

Letzten Endes liegt es an den Eltern eine geschlossene Front im Leben ihrer Kinder zu bilden. Das ist nicht zwangsläufig eine schlechte Sache, aber es wäre wünschenswert, wenn Politiker und Beamte ein klein wenig unterstützend wirken würden.

 Egal wen wir fragen, Hirnforscher, Naturwissenschaftler die sich mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden befassen, Geisteswissenschaftler, Pädagogen oder Entwicklungspsychologen. Sie alle kommen zu dem gleichen Schluss: „ Es ist nichts daran auszusetzen, sich Ziele zu setzen oder einen Traum zu verfolgen, allerdings ohne dem Zufluchtsort jedoch, den das „Hier und Jetzt“ dem Geist, dem Körper und der Seele bietet, könnte vieles fehlschlagen. Außergewöhnliche Leistungen brauchen die Fähigkeit sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren. So wie eine gute persönliche Beziehung die Fähigkeit braucht, präsent und aufmerksam zu sein.

 

Praktische Überlegungen

Im Moment sind Kinder zu viel an „Erziehung“ ausgesetzt. Die unübersehbare Folge dessen ist, dass „Erziehung“ immer mehr an Einfluss verliert und unerheblich wird  - sogar kontraproduktiv. Wieder erfahren Kinder, dass sie zu Werkzeugen ihrer Eltern wurden, um ein öffentliches und persönliches Image zu schaffen. Ungefähr 50 % der Kinder unterliegen den elterlichen Bedürfnissen während die andere Hälfte ihre Eltern herausfordern so gut sie können.  Die Anzahl der Kinder mit sogenanntem „unbegründetem Ärger“ oder „oppositionellem Syndrom“ steigt.

 

 

Wieso setzen sich manche Kinder entgegen oder werden wütend? Weil Eltern zu ihnen „Wenn Du es nicht für uns, deine Eltern, tust, wirst du niemals ein anständiger Mensch werden!“ sagen.  Eine elementare Deklaration von Misstrauen in die natürliche Fähigkeit und des Wunsches eines Kindes zu kooperieren und ein neuerlicher Versuch seine Zukunft zu kontrollieren.

 

Die meisten Eltern sind immer noch nicht daran interessiert, wie Kinder wirklich denken und fühlen. Sie sind mehr daran interessiert wie Kinder zu denken und zu fühlen haben. Wenn dem auch noch Lob und verbale Liebeserklärungen nachfolgen, wird der Selbstwert der Kinder geschwächt. Manche von ihnen entwickeln eine erlernte Hilflosigkeit.

 Die Lösung ist gleichermaßen einfach wie schwierig zugleich

 Verbringen Sie Zeit mit Ihrem Kind – vorzugsweise ohne sogenanntes „Lernspielzeug“. Sie müssen gar nichts sagen. Sitzen Sie still, beobachten Sie und Sie werden etwas Neues über Ihr Kind erfahren. Versuchen Sie nicht, es zu belehren oder es zu erziehen. Nehmen Sie es einfach so wahr wie es ist und seien sie persönlich. Eine neue Welt wird sich Ihnen eröffnen.

Wenn ihr Kind zu Ihnen sagt: „Mir ist soooo langweilig“ machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt keinen Grund sich schuldig zu fühlen oder einen Veranstaltungs-oder Beschäftigungskatalog zu präsentieren, dieser würde ohnehin zurückgewiesen werden.

Schenken Sie Ihrem Kind ein freundliches Lächeln und sagen: „Gratuliere Dir mein Freund. Es wird spannend sein zu sehen, welche Ideen Du haben wirst.“ Langeweile hält kaum länger an als 20 Minuten. Das ist die Zeit, die ein Mensch braucht, um sich von den äußeren Anregungen zu lösen, sich mit sich selbst und seiner eigenen Kreativität zu verbinden. Versuchen Sie dies an einem Beispiel zu demonstrieren: wenn sie sich innerlich unruhig fühlen – Kinder nennen das „Langeweile“ – schalten Sie Ihr Mobiltelefon, Ihren Computer und Ihr Fernsehgerät aus, und lassen Sie sich überraschen, was passiert.      

Wenn Sie ihr Kind zu Bett bringen und Sie die Möglichkeit haben ein paar Minuten zusammen zu verbringen, erzählen Sie von Ihrem Tag. Fragen Sie nicht Ihr Kind wie sein Tag war – es wird es Ihnen automatisch erzählen. Wenn Sie mit Ihrem Kind spielen, so lassen Sie Ihrem Kind die Initiative ergreifen anstatt die Beschäftigung zu steuern.      

Es gibt keinen Grund sich vor Stille oder Pausen zu fürchten – beides ist gut für die Atmosphäre. Versuchen Sie sich weniger verantwortlich zu fühlen. Das heißt: weniger über – verantwortlich. Das, was Sie als Ihre Verantwortlichkeit als Eltern erachten wird einer echten Verbindung zwischen Ihnen im Weg stehen. Wenn Sie eine persönliche Beziehung entwickeln möchten, so müssen sie sich selbst zeigen und verletzlich sein.

Jede Minute und jede Stunde in der Sie in diesem Sinne mit ihrem Kind in Beziehung stehen,  wird seinen seelisch-leiblichen Schutz stärken. Folglich müssen Sie sich nicht um die Zukunft sorgen, denn Sie bauen damit eine gesunde Beziehung zwischen Ihnen auf.

Es wird Ihnen beiden gut tun – viel besser als jegliche präventive Maßnahme, die sie sich jemals vorstellen können

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